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Das Heilmittel für dünne Waden

Das Heilmittel für dünne Waden

Wenn es um das Training der Waden geht, dann schöpfen die meisten Trainierenden das Potential ihres Trainings, was die Hypertrophie angeht, nicht aus.

Ich bin der erste, der zugeben wird, dass die Unterschenkel in der Hinsicht die am stärksten durch die generischen Veranlagungen beeinflusste Muskelgruppe ist, dass einige Menschen ihre Waden kaum trainieren und trotzdem eine hervorragende Wadenentwicklung aufweisen, während andere scheinbar keine brauchbare Wadenentwicklung erreichen können, egal was sie auch tun.

Der Typ mit der wirklich langen Achillessehne, hoch ansetzenden Waden, kurzen Muskelbäuchen und einem höheren Prozentsatz an langsam kontrahierenden Muskelfasern wird es sehr viel schwerer haben, wenn es darum geht seine Wadenmuskeln aufzubauen, als der Typ mit einer kürzeren Achillessehne, tief ansetzenden Waden, langen Muskelbäuchen und einem höheren Prozentsatz an schnell kontrahierenden Muskelfasern.

Mit harter, konsistenter Arbeit können jedoch die meisten Trainierenden ihren genetischen Fluch überwinden und zumindest eine ausgewogene Entwicklung der Unterschenkelmuskulatur erreichen. Wenn Du der Typ von Mensch bist, der sich nicht für all den Wissenschaftskram interessiert, dann kannst Du den folgenden Abschnitt überspringen, es ist jedoch wichtig, ein wenig von der funktionalen Anatomie und der Biomechanik der Unterschenkel zu verstehen, um das bestmögliche Programm für ein Wachstum der Waden zusammenzustellen.

 

Was uns die Wissenschaft erzählt

 

  • Wenn Du ein amerikanischer Mann bist, dann gehst du etwa 7000 Schritte pro Tag. Wenn Du Dir jeden Schritt als eine Wiederholung mit eingeschränktem Bewegungsraum und dem Körpergewicht als Widerstand ansiehst, dann erkennst Du schnell, wie gut Deine Waden an Arbeit mit niedriger Intensität gewöhnt sind. Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Wenn Du Deine Waden zum Wachsen bringen willst, dann musst Du sie etwas tun lassen, das sie nicht gewohnt sind.
  • Der Trizeps surae besteht aus dem Gastrocnemius, dem Soleus und dem Plantaris, welche sich eine gemeinsame Sehne teilen, die als Achillessehne bekannt ist.
  • Der Plantaris ist nur etwa 5 bis 10 Zentimeter lang und fehlt bei 7 bis 10 % aller Menschen vollständig, weshalb es nicht wichtig ist, über eine Hypertrophie dieses Muskels zu sprechen.
  • Der Unterschied bezüglich der Funktion von Gastrocnemius und Soleus hängt mit Unterschieden bezüglich Muskelfaserlänge, Muskelfasertyp und anatomischen Ansatzpunkten zusammen
  • Der Gastrocnemius beginnt hinter dem Knie am Oberschenkelknochen. Er kreuzt zwei Gelenke und umfasst einen seitliche und einen mittleren Muskelkopf. Die primäre Funktion des Gastrocnemius besteht darin, die Ferse anzuheben (was auch als Plantarflexion bezeichnet wird). Der Gastrocnemius ist auch ein Knieflexor bzw. Kniebeuger. Der Gastrocnemius verkürzt sich während einer Knieflexion, besitzt jedoch einen verbesserten Hebelarm für die Knöchelgelenkfunktion, wenn das Knie gestreckt ist. Der Gastrocnemius produziert ein schwaches Knieflexionsdrehmoment wenn das Knie gestreckt ist, aber der Hebelarm wird verbessert, wenn das Knie zu 90 Grad gebeugt ist
  • Der Soleus ist ein Muskel, der nur ein Gelenk kreuzt. Seine primäre Funktion ist auch eine Plantarflexion (Bewegung des Vorderfußes nach unten). Der Soleus kreuzt nur das Fußgelenk und wird mechanisch nicht vom Kniewinkel beeinflusst.
  • Was die Muskelfaserverteilung angeht zeigte eine Studie, dass der Soleus zu 70% aus langsam kontrahierenden Muskelfasen besteht und beide Köpfe des Gastrocnemius zu 50% aus schnell kontrahierenden Muskelfasern bestehen (Edgerton et al., 1975). Eine andere Studie zeigte, dass der Gastrocnemius zu 56% aus langsam kontrahierenden Muskelfasern besteht (Khan et al., 1978). Eine wieder andere Studie kam zu dem Ergebnis, dass der Gastrocnemius zu 51% aus langsam kontrahierenden Muskelfasern besteht (Green et al., 1981), während eine letzte Studie zeigte, dass der Gastrocnemius etwa zu 80% aus langsam kontrahierenden Muskelfasern besteht (Gollnick et al., 1974).
  • Abhängig vom Kniewinkel ist es möglich, den Soleus oder den Gastrocnemius stärker zu rekrutieren (Signorille et al., 2002; Price et al., 2003; Tamaki et al., 1997; Arampatzis et al. 2006; Cresswell et al., 1995; Kennedy et al., 2001; Miaki et al., 1999). Darüber hinaus scheinen sich Soleus und Gastrocnemius abhängig von der genetischen Veranlagung unterschiedlich an das Training anzupassen (Goldfarb et al., 2007).
  • Es scheint bei der Muskelfaserverteilung eine große genetische Varianz zu geben. Eine Studie mit Weltklasse Kugelstoßern zeigte z.B. dass die Sportler zwischen 13 und 67% langsam kontrahierender Muskelfasen im seitlichen Gastrocnemius aufwiesen, wobei der Durchschnitt bei etwa 38% langsam kontrahierenden Fasern lag (Coyle et al., 1978). Es ist also nicht weise anzunehmen, dass Du der Norm und nicht einem der Extreme entsprichst, was die Muskelfaserverteilung angeht
  • Der mittlere und der seitliche Muskelkopf des Gastrocnemius funktionieren unterschiedlich voneinander – der mittlere Muskelkopf arbeitet sehr viel härter als der seitliche Muskelkopf, um einer Knieextension exzentrisch entgegenzuwirken (Andriacchi et al., 1984). Man würde eigentlich annehmen, dass die Beteiligung des seitlichen und mittleren Muskelkopfes des Gastrocnemius durch eine mittlere oder seitliche Rotation der Hüfte verändert würde, aber MRI Untersuchungen von Dr. Per Tesch deuten darauf hin, dass eine Stellung der Zehen nach innen beide Muskelköpfe aktiviert, während eine Stellung der Zehen nach außen den mittleren Kopf in größerem Umfang aktiviert.

 

Es gibt außerdem Untersuchungen, die diese Ansicht unterstützen, da gezeigt werden konnte, dass ein Auswärtsdrehen der Füße die Aktivität im mittleren Gastrocnemius und im Soleus erhöht (Campbell et al., 1973).

 

  • Es gibt mehrere Muskeln, die eine Plantarflexion produzieren. Diese sind der Gastrocnemius, der Soleus, der Plantaris, der Peroneus longus und brevis, der Flexor hallucis longus, der Flexor digitorum longus und der Tibialis posterior.
  • Es gibt mehrere Muskeln, die eine Knieflexion (Beugung des Knies) produzieren. Diese sind die Beinbeuger, der Gastrocnemius, der Plantaris, der Gracilis, der Sartorius und der Popliteus.
  • Wenn man versucht gleichzeitig das Knie zu beugen und eine Plantarflexion des Fußgelenks durchzuführen, dann erhöht dies die Aktivität des Gastrocnemius deutlich, während die Aktivität des Soleus abnimmt (Gravel et al., 1987).
  • Der Soleus initiiert langsame Kontraktionen, während der Gastrocnemius eine schnelle Kontraktionen initiiert (Cordo et al., 1982). Der seitliche Gastrocnemius verfügt über die am schnellsten kontrahierenden Muskelfasern, der mittlere Gastrocnemius verfügt über die am zweitschnellsten kontrahierenden Muskelfasern und der Soleus verfügt über die am langsamsten kontrahierenden Muskelfasern (Vandervoort et al., 1983).
  • EMS Untersuchungen von Bret Contreras zeigen, dass schweres Wadenheben stehend den Gastrocnemius durchschnittlich stärker als einbeiniges Wadenheben stehend, explosives Wadenheben mit einem leichteren Gewicht und stehendes Wadenheben mit 10 Sekunden isometrischer Pause am tiefsten Punkt der Bewegung aktiviert.

 

Langhantelkniebeugen bewirken hingegen eine stärkere maximale Aktivierung des Gastrocnemius als jede Variante des Wadenhebens. Es scheint so, als ob der Gastrocnemius sehr hart arbeiten muss, um das Kniegelenk zu stabilisieren und das Gleichgewicht während Kniebeugen zu halten. Mit anderen Worten ausgedrückt werden Kniebeugen mit schweren Gewichten die Waden recht hart fordern.

 

Was uns diese Untersuchungen nicht sagen

 

Im Grunde genommen sagen uns diese Untersuchungen nicht viel, was die Identifizierung der besten Methodologie für ein Wachstum der Waden angeht. Sie geben uns einige Hinweise, aber am Ende des Tages müssen wir uns an anekdotenhaften Hinweisen orientieren, um das bestmögliche Programm für die Entwicklung der Unterschenkel zusammenzustellen.

 

Kombinierte Methoden

 

In Internetforen sehen wir immer die “schwere vs. leichte Wiederholungen Diskussionen”, wenn es um das Wachstum der Waden geht. Ich habe mich schon immer gefragt, warum Trainierende, die das Wachstum ihrer Waden maximieren möchten, sich auf nur einen Typ des Stimulus beschränken sollten. Warum sollte man das eine oder das andere tun, wenn man beides tun kann?

In der Tat gibt es reichlich Trainierende, die nur mit schweren Kniebeugen und schwerem Kreuzheben hervorragende Waden aufgebaut haben, wobei diese Methode jedoch auch bei vielen anderen versagt hat. Es gibt auch Trainierende, die mit einem Wadentraining mit hohen Wiederholungszahlen tolle Waden aufgebaut haben, während andere mit exakt derselben Methodologie keinen Erfolg hatten.

Wie bereits erwähnt wurde, gibt es bei der Wadenentwicklung eine enorme genetische Komponente. Wenn Du also unterhalb der Knie genetisch verflucht bist, dann besteht Deine einzige Option darin, unterschiedliche Methoden zu kombinieren und eine große Varianz an Übungen zu verwenden. Für unser Programm werden wir viele unterschiedliche Strategien verwenden, die weiter unten beschrieben werden.

 

Das legendäre Begriffsverzeichnis

 

  • Bodybuilding/HVT (High Volume Training) — viele Sätze und Wiederholungen, absteigende Sätze, pausierte Sätze, Abwechslung, Tonnen von Isolationsübungen mit mittleren und hohen Wiederholungszahlen.
  • HFT (High Frequency Training) – Drei Trainingseinheiten pro Woche.
  • EDT (Escalated Density Training) — Mehr Sätze innerhalb einer festgelegten Zeitspanne.
  • Powerlifting — Schwere Mehrgelenksübungen für den Unterkörper.
  • Kniebeugen und Kreuzheben — trainiert die Waden über ihre Rolle als Stabilisatoren
  • Glute-Ham Raises — trainiert die Waden über ihre Rolle als Knieflexoren (Kniebeuger) – eine sehr effektive und viel zu selten verwendete Wadenübung.
  • Schweres Isolationstraining für die Waden — maximiert die myofibrillare Hypertrophie und rekrutiert die motorischen Einheiten mit hoher Reizschwelle.
  • Hochvolumiges Isolationstraining — maximiert die sarcoplasmatische Hypertrophie und verursacht eine stärkere Okklusion.

 

Das Programm

 

Die Muskeln der Unterschenkel werden an drei Tagen pro Woche trainiert. Der Abstand zwischen den Trainingseinheiten beträgt 48 bis 72 Stunden.

 

Woche Eins

 

Tag 1

 

A. Kniebeugen 8 x 1 (steigere das Gewicht)
B. Glute-Ham Raises 5 x 10 (verwende die Maschinenversion und nutze die Zehenplatte)
C. Wadenheben stehend (schwer) 4 x 6
D. Wadenheben an der Beinpresse (leicht) 2 x 30

 

Tag 2

 

A. Einbeiniges Wadenheben - 10 Minuten EDT
B. Seilspringen - 10 Minuten

 

Tag 3

 

A. Kreuzheben 8 x 1 (steigere das Gewicht)
B. Glute-Ham Raises 5 x 10 (verwende die Maschinenversion und nutze die Zehenplatte)
C. Donkey Wadenheben 3 x 20 (führe einen Satz mit der Hüfte in neutraler Position, einen Satz mit nach außen gedrehter Hüfte und einen Satz mit nach innen gedrehter Hüfte aus)
D. Wadenheben sitzend mit Pausen 3 x 10 (pausiere am höchsten und am tiefsten Punkt der Bewegung für 3 Sekunden)

 

Woche 2

Tag 1

 

A. Kniebeugen 8 x 1 (steigere das Gewicht)
B. Glute-Ham Raises 5 x 10 (verwende die Maschinenversion und nutze die Zehenplatte)
C. Wadenheben stehend (schwer) 5 x 5
D. Wadenheben an der Beinpresse (leicht) 3 x 20 (führe einen Satz mit der Hüften in neutraler Position, einen Satz mit nach außen gedrehter Hüfte und einen Satz mit nach innen gedrehter Hüfte aus)

 

Tag 2

 

A. Wadenheben stehend an der Maschine - 1 absteigender Satz aus der Hölle. Beginne mit einen Gewicht, mit dem Du etwa 8 Wiederholungen ausführen kannst, reduziere das Gewicht um 50% und führe so viele Wiederholungen wie möglich aus und führe dann so viele Wiederholungen wie möglich nur mit dem eigenen Körpergewicht aus.
B. Seilspringen - 10 Minuten

 

Tag 3

 

A. Kreuzheben 8 x 1 (steigere das Gewicht)
B. Glute-Ham Raises 5 x 10 (verwende die Maschinenversion und nutze die Zehenplatte)
C. Pausiertes Donkey Wadenheben 3 x 10 (pausiere am höchsten und am tiefsten Punkt der Bewegung für 3 Sekunden)
D. Wadenheben sitzend 2 x 50

 

Wiederhole diesen Zyklus dreimal für insgesamt 2 Monate Wadenmissbrauch.

Nachdem dieses zweimonatige Wadenintensivprogramm vorüber ist, gehst Du wieder zu einer weniger irrsinnigen Wadentrainingsrotation mit ein oder zwei Wadentrainingseinheiten pro Woche über, wobei Du weiterhin eine große Bandbreite an Übungen und Wiederholungsbereichen zu verwenden, aber halte das Gesamtvolumen pro Trainingseinheit niedrig, um eine Superkompensation zu erlauben.

Du wirst wahrscheinlich beobachten, dass Deine Waden auch während dieser Entladephase weiter wachsen und hoffentlich einen Grad der Entwicklung erreichen, der es Dir erlaubt, im nächsten Sommer ohne Jeans an den Strand zu gehen.

 

Zusammenfassung

 

Hartnäckige Waden können eine schwer zu knackende Nuss darstellen, da es hier einen enormen genetischen Faktor gibt, der nicht vermieden werden kann. Doch selbst wenn Du die undankbare „Waden wie ein Flamingo“ Karte gezogen hast, dann gibt es keinen Grund dafür, frustriert mit dem Wadentraining aufzuhören. Ein wenig Wissenschaft in Kombination mit einer intelligenten Programmgestaltung – und eine Tonne an Anstrengung – und Du wirst stolz darauf sein können, Shorts tragen zu können, ohne diese lähmende Unsicherheit zu verspüren. Wadentraining macht vielleicht keinen Spaß aber es ist zumindest billiger als eine Therapie.

 

 

Quelle: https://www.t-nation.com/training/cure-for-cowardly-calves

Von Bret Contreras

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