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Die Geist-Muskel Verbindung

Die Geist-Muskel Verbindung

Hier ist eine kurze Zusammenfassung:

  1. Viele Bodybuilder glauben an die Geist-Muskel Verbindung: das mentale Aktivieren eines Muskels. Andere glauben, dass wenn eine Übung mit guter Form ausgeführt wird, die richtigen Muskeln ihre Job automatisch machen.
  2. Der Autor entschloss sich dazu (mit Hilfe des EMGs) zu testen, ob Last, Kadenz und Form der Übungsausführung die Muskelaktivierung diktieren, oder ob es möglich ist, den neuronalen Antrieb zu einigen Muskeln hin und von anderen weg zu steuern.
  3. Die Überraschung der Studie war nicht, dass sie zeigte, dass Du einen Muskel mental aktivieren kannst, sondern wie groß die Rolle ist, die unser Geist spielt, wenn es darum geht, unsere Muskeln auf Touren zu bringen.

 

Kontrahiere Dein Gehirn

Bodybuilder beziehen sich schon seit langem auf die Geist-Muskel Verbindung und sie empfehlen typischerweise, dass Trainingsanfänger Zeit damit verbringen, ihre Muskeln unabhängig vom Training zu kontrahieren und lernen, wie sie ihre Muskeln korrekt gegen einen Widerstand aktivieren.

Auf der anderen Seite gibt es eine Untergruppe von Trainern und Physiotherapeuten, die glauben, dass wenn eine Übung mit scheinbar guter Form ausgeführt wird, die richtigen Muskeln automatisch ihre Aufgabe erfüllen werden und dass es für einen Trainierenden nicht notwendig oder nicht einmal möglich ist, seine Muskelaktivierung mental zu verändern.

Welches dieser Lager liegt richtig?

Diktieren Last, Kadenz und Form die Muskelaktivierung? Oder können Trainierende den neuronalen Antrieb zu bestimmten Muskeln hin und von anderen weg auch dann mental steuern, wenn sie dasselbe Gewicht, dasselbe Tempo und dieselbe Mechanik verwenden, indem sie einfach ihre Aufmerksamkeit auf den Zielmuskel konzentrieren?

Für einige wird das folgende Experiment wie eines der offensichtlichsten Experimente erscheinen, die sie je gesehen haben. Du wirst vielleicht denken, dass das Ganze ein alter Hut ist, was insbesondere dann gilt, wenn Du Dich schon einige Zeit mit Bodybuilding beschäftigt hast. Aber anderen wird es die Augen öffnen und ihnen einen Einblick in die Rolle des Gehirns bei der Muskelaktivierung bieten.

 

Methoden

Wir haben beschlossen, dieser Diskussion durch die Durchführung eines Pilotexperiments auf den Grund zu gehen. Im Grunde genommen haben wir eine Reihe unterschiedlicher Oberkörper- und Unterkörperübungen ausgeführt und hierbei mit Hilfe eines Elektromyographen (EMG) die Muskelaktivierung untersucht. Während der Übungsausführung konzentrierten wir unsere Aufmerksamkeit entweder darauf, einen bestimmten Muskel zu aktivieren, oder einen bestimmten Muskel nicht zu aktivieren.

Wir verwendeten unterschiedliche Übungen für den Unterkörper: Kniebeugen, rumänisches Kreuzheben, Hip Thrusts und Rückenextensionen. Wir verwendeten eine 135 Pfund schwere Langhantel für Kniebeugen, rumänisches Kreuzheben und Hip Thrusts, während wir bei Rückenextensionen lediglich das eigene Körpergewicht verwendeten.

Unsere Absicht bestand bei jeder Übung darin, den Gluteus nicht zu verwenden. Im Fall von Kniebeugen bestand die Absicht darin, stattdessen auf die Quadrizeps abzuzielen und im Fall von rumänischem Kreuzheben bestand die Absicht darin, anstatt auf den Gluteus auf die Beinbeuger abzuzielen. Als wir die Tests danach erneut durchführten, versuchten wir bewusst, den Gluteus maximal zu verwenden.

Wir verwendeten auch für den Oberkörper vier unterschiedlich Übungen – zwei Druckübungen und zwei Zugübungen. Wir verwendeten Liegestütze mit dem eigenen Körpergewicht und Bankdrücken mit 135 Pfund für die Druckmuskeln des Oberkörpers. Bei der ersten Ausführung konzentrierten wir uns auf unsere Brustmuskeln und bei der zweiten Ausführung dieser Übungen konzentrierten wir uns auf die Trizeps.

Als Oberkörper Zugübungen verwendeten wir Klimmzüge mit dem eigenen Körpergewicht und inverses Rudern mit dem eigenen Körpergewicht. Beide Übungen wurden auf zwei unterschiedliche Weisen durchgeführt – zuerst mit einer Betonung des Latissimus und dann mit einer Betonung auf den Bizeps. Wir entschieden uns dafür, bei leichteren Gewichten zu bleiben, da wir das Gefühl hatten, dass dies im Vergleich zur Verwendung schwerer Gewichte die Fähigkeit, den neuronalen Antrieb zu steuern, verbessern würde, falls so etwas überhaupt möglich wäre.

Darüber hinaus haben wir seit langem Profibodybuilder beobachtet, die scheinbar sehr leichte Gewichte bewegen, während sie ihre Muskeln sehr hart kontrahieren und versuchen, den Zielmuskel einer maximalen Spannung und einem maximalen stoffwechseltechnischen Stress auszusetzen. Die Verwendung ähnlich leichter Gewichte sollte es uns also ermöglichen zu bestimmen, ob diese Methode ihren Wert hat.

 

Resultate

Wir haben herausgefunden, dass fortgeschrittene Trainierende in der Tat ihren neuronalen Antrieb zu bestimmten Muskeln hin und von bestimmten Muskeln weg steuern können, ohne die Form der Übungsausführung signifikant zu verändern. Die Tabelle unten zeigt unsere durchschnittlichen Daten bezüglich der Muskelaktivierung. Natürlich kannst Du Dir eine eigene Auswertung der Resultate ersparen und einfach den folgenden Abschnitt lesen.

Unterkörperübungen

Gluteus Maximus

Biceps Femoris

Vastus Lateralis

Lumbar Erector

Kniebeugen Quadizeps Fokus

10.61

11.19

109.67

48.73

Kniebeugen Gluteus Fokus

25.30

12.78

94.33

54.63

Kreuzheben Beinbeuger Fokus

9.13

21.07

30.80

60.67

Kreuzheben Gluteus Fokus

32.13

22.67

35.97

54.33

Hip Thrust ohne Gluteus Fokus

20.90

6.80

33.43

70.83

Hip Thrust mit Gluteus Fokus

52.67

18.40

52.60

61.53

Rückenstrecken ohne Gluteus Fokus

6.05

43.63

2.17

52.53

Rückenstrecken mit Gluteus Fokus

38.13

52.70

2.69

47.87

 

Oberkörper Druckübungen

Obere Brust

Untere Brust

Vordere Schulter

Trizeps

Liegestütze Brust Fokus

60.47

47.10

55.33

63.30

Liegestütze Trizeps Fokus

51.77

23.74

51.13

90.77

Bankdrücken Brust Fokus

64.90

54.77

49.77

63.43

Bankdrücken Trizeps Fokus

58.47

33.23

50.73

71.77

 

Oberkörper Zugübungen

Lat

Hintere Schulter

Mittlerer Trapezius

Bizeps

Klimmzüge Latissimus Fokus

59.73

67.33

68.30

44.10

Klimmzüge Bizeps Fokus

59.17

73.07

50.50

68.70

Inverses Rudern Latissimus Fokus

82.10

82.57

94.73

31.33

Inverses Rudern Bizeps Fokus

66.60

75.13

62.27

71.30

 

Diskussion

Wie Du in der Tabelle sehen kannst, gibt es deutliche Hinweise auf eine Geist-Muskel Verbindung und dieses Phänomen ist bei bestimmten Muskeln offensichtlicher als bei anderen. Das vielleicht erhellendste Resultat dieser Untersuchung ist, dass erfahrene Trainierende eine Rückenextension mit dem eigenen Körpergewicht durchführen können – was bei einem durchschnittlichen sportlichen Mann einem Drehmoment von 235 Nm im Bereich der Hüfte erfordert – bei der sie sich von voller Hüftflexion zu voller Hüftextension bewegen, während sie hierbei den Gluteus kaum verwenden.

Wenn sie bewusst versuchten den Gluteus während der Rückenstreckung nicht zu verwenden, erreichte die Gluteus Aktivierung auf dem EMG lediglich 6% der MVIC (maximale isometrische Kontraktion). Wenn sie jedoch bewusst versuchten, den Gluteus zu verwenden, dann stieg der EMG Wert auf 38% des MVIC!

Die Aktivierung des Gluteus während der Hüftextensionsübung hing stark vom mentalen Fokus der Aufmerksamkeit ab. Bei Kniebeugen, rumänischem Kreuzheben und Rückenextensionen konnte die Gluteus Aktivierung abhängig davon, ob die Probanden versuchten diese Muskeln zu aktivieren oder nicht zu aktivieren deutlich variieren und die Gluteus Aktivierung war recht niedrig, wenn die Probanden sich bei Kniebeugen auf eine Aktivierung der Quadrizeps und bei rumänischem Kreuzheben auf eine Aktivierung der Beinbeuger konzentrierten. In der Tat scheint es recht schwierig zu sein, die Quadrizeps bei Kniebeugen nicht zu verwenden, die Beinbeuger beim Rückenstrecken nicht zu verwenden oder den Gluteus bei Hip Thrusts nicht zu verwenden.

Was die Druckmuskeln des Oberkörpers angeht war die Aktivierung der unteren Brustmuskeln recht niedrig, wenn sich die Probanden bei Liegestützen auf die Trizeps konzentrierten, doch bei einer Konzentration auf die Brustmuskeln war die Trizeps Aktivierung sehr viel geringer. Darüber hinaus scheint es bei Liegestützen im Vergleich zu Bankdrücken einfacher zu sein, die Muskelaktivität mental zu steuern.

Bei den Zugübungen variierte die Aktivierung von mittlerem Trapezius und Bizeps deutlich zwischen den Versuchen. Die Latissimus Aktivierung veränderte sich bei Klimmzügen unabhängig vom Fokus kaum, veränderte sich bei inversem Rudern jedoch deutlich. Die Aktivierung von Bizeps und mittlerem Trapezius scheint stark davon abzuhängen, ob man sich bei den Zugübungen auf den Latissimus oder den Bizeps konzentriert und es scheint bei inversem Rudern im Vergleich zu Klimmzügen leichter zu sein, die Muskelaktivität zu steuern.

Wir konzentrierten uns bewusst nicht auf eine direkte Aktivierung oder eine möglichst geringe Aktivierung von Lumbarerektoren, oberen Brustmuskeln, vorderen Schultermuskeln und hinteren Schultermuskeln, was erklärt, dass ihre Aktivierung im Vergleich zu Gluteus, unteren Brustmuskeln, Trizeps und Bizeps konsistenter war.

 

Praktische Anwendung und Schlussfolgerung

Basierend auf diesem Experiment kommen wir zur Schlussfolgerung, dass fortgeschrittene Trainierende dazu in der Lage sind, den neuronalen Antrieb zu gewissen Muskeln hin und von gewissen Muskeln weg zu steuern – zumindest bei leichteren Gewichten.

Im Jahr 2012 fanden die Wissenschaftler Snyder und Fry heraus, dass verbale Instruktionen effektiv sind, wenn es um eine Steuerung der Muskelaktivierung mit leichteren Gewichten beim Bankdrücken ging, doch dies war bei schwereren Gewichten nicht der Fall. Auf ähnliche Art und Weise hat eine ganze Reihe von Studien die Auswirkungen des internen Fokus der Aufmerksamkeit (das Konzentrieren auf Muskelgruppen während der Ausführung von Bewegungen) untersucht und herausgefunden, dass Individuen abhängig von der Aufgabe bestimmte Muskeln wie z.B. die Bauchmuskeln, den Latissimus und den Gluteus bevorzugt aktivieren können.

Eine Studie konnte z.B. zeigen, dass Bauchtänzerinnen ihre oberen und unteren Bauchmuskeln völlig isoliert voneinander aktivieren konnten, was darauf hindeutet, dass das gezielte Aktivieren von Muskelgruppen durch Übung leichter wird. Es gibt Untersuchungen, die fast 20 Jahre alt sind und die Hinweise auf eine Geist-Muskel Verbindung bei den Schulterstabilisatoren gibt.

Wir glauben, dass dieses Experiment zeigt, dass die Vorstellung „wenn es richtig aussieht, dann ist es auch korrekt“ inkorrekt ist – zumindest was ein Training mit leichten Gewichten angeht. Wie wir bereits erklärt haben ist es z.B. gut möglich, die Hüfte zu strecken, während der Gluteus im Verlauf der Rückenstreckung kaum aktiviert wird.

Die Form der Übungsausführung muss solide sein, aber einfach nur die Bewegung von außen zu beobachten, wird Dir nicht vollständig sagen, was im Inneren wirklich abläuft. Die zugrundeliegenden Muskeln müssen während der Bewegung für eine optimale Leistung im richtigen Umfang und der richtigen Kombination aktiviert werden und diese Umfänge und Kombinationen der Aktivierung werden sich wahrscheinlich abhängig davon unterscheiden, ob das Ziel in der Entwicklung maximaler Kraft, maximaler Ausdauer oder maximaler Aktivierung besteht.

Die Fachliteratur ist sich bezüglich der Tatsache, dass ein externer Fokus der Aufmerksamkeit (die Konzentration auf etwas außerhalb des Körpers) bessere Demonstrationen von Kraft, Ausdauer und Exaktheit produzieren wird, einig. Wenn Du beim Bankdrücken ein maximales Gewicht bewegen möchtest, dann solltest Du Dich nicht auf eine maximale Aktivierung Deiner Brustmuskeln oder Trizeps konzentrieren, sondern besser darauf, die Stange so explosiv wie möglich von Deiner Brust weg zu bewegen.

Darüber hinaus deutet dieses Experiment darauf hin, dass Bodybuilder in der Tat die ganze Zeit über Recht hatten – die Geist-Muskel Verbindung ist ein reales Phänomen, das die neuromuskulare Dynamik während des Widerstandstrainings beeinflusst. Es ist logisch anzunehmen, dass die Geist Muskel-Verbindung Hypertrophiezuwächse in signifikantem Umfang beeinflussen könnte, doch dies muss noch im Rahmen anderer Untersuchungen nachgewiesen werden.

Um mit gutem Gewissen empfehlen zu können, dass Trainierende die Geist-Muskel Verbindung priorisieren sollten, müssen wir untersuchen, ob Bodybuilder den neuronalen Antrieb auch bei einer Verwendung schwererer Gewichte steuern können und ob das Konzentrieren der Aufmerksamkeit auf die Aktivierung bestimmter Muskeln während einer Übung tatsächlich im Lauf der Zeit zu einer stärkeren Hypertrophieadaption führt. In der Zwischenzeit kannst Du in Betracht ziehen, mit ein paar unterschiedlichen Methoden zu experimentieren:

  1. Probiere das, was Mel Siff als “Training ohne Last” bezeichnet, aus, indem Du Muskeln unabhängig voneinander kontrahierst, wie Bodybuilder dies beim Posen tun.
  2. Führe eine Aktivierung mit niedriger Last vor schwerem Krafttraining oder zwischen schwereren Sätzen aus, um zu sehen, ob dies Deine Leistungen verbessert.
  3. Führe schweres Training mit einem externen Fokus der Aufmerksamkeit aus, aber führe danach auch leichteres Training mit einem internen Fokus der Aufmerksamkeit aus, bei dem Du Dich darauf konzentrierst zu versuchen die Zielmuskeln zu aktivieren.

 

Von Bret Contreras 

Quelle: https://www.t-nation.com/training/mind-muscle-connection-fact-or-bs

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